Gastbeitrag: Im Namen der Beihilferichtlinie: Wie Dänemark das umlagefinanzierte EEG abschaffte

Am 19. Dezember 2016 beschloss das dänische Parlament die endgültige Abschaffung der dänischen EEG-Umlage (mehr), der „Public Service Obligation“ (PSO). Fortan soll die Finanzierung erneuerbarer Energien in Dänemark über die Einkommenssteuer finanziert werden. So wurde 2016 zu dem Jahr, in dem das weltweit erfolgreiche Modell der umlagefinanzierten Einspeisevergütung in einem der als Vorreiter der Energiewende geltenden Länder abgeschafft wurde.

 

Irreführung im Jahr des Postfaktischen (mehr)


Doch um diesen Beschluss mit großer Mehrheit fassen zu können, betätigte sich die dänische Regierung des Spiels über Bande. Die EU-Kommission hatte, wie auch im Falle Deutschlands, Bedenken geäußert. Das dänische EEG würde inländische Stromproduzenten gegenüber ausländischen bevorteilen und daher mit den europäischen Beihilferichtlinien nicht konform sein. In der innenpolitischen Auseinandersetzung hat die bürgerlich-liberale Regierungskoalition diese Kritik allerdings aufgeblasen und die EEG-Umlage auf der Stromrechnung konsequent als „EU-vertragswidrig“, „ungesetzlich“ oder schlicht „illegal“ beschrieben und ihre Abschaffung als eine „von der Kommission auferlegte Aufgabe“ („bunden opgave“) bezeichnet. Erst die öffentlich-rechtliche TV-Sendung Detektor deckte diese Falschaussagen am 1. Dezember 2016 auf.

Die Regierung sieht sich nun mit Vorwürfen der Irreführung der dänischen Bevölkerung und des Parlaments konfrontiert. Dabei können es keine Sprachbarrieren sein, die für ein Missverständnis zwischen Kopenhagen und Brüssel gesorgt haben: Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ist ehemalige dänische Wirtschaftsministerin und war unter der Regierung Thorning-Schmidt (mehr) stellvertretende Regierungschefin. Sie versuchte, die Aussagen der Regierung zu korrigieren: Keine Abschaffung, sondern eine Anpassung des dänischen EEGs war erwünscht worden. (mehr)

#Fakenews und frisierte Zahlen


Irreführung funktioniert am besten, wenn die Presse mitspielt – was sie in diesem Fall tat: Die Behauptungen der Regierung, dass die Kommission eine Abschaffung verlangen würde, wurde in den Medien unkritisch wiedergegeben. Der Pressechef der neuen grünen Partei Dänemarks, Alternativet, hatte eine Klage beim dänischen Presserat eingereicht, in der er 56 Medienartikel der falschen Berichterstattung beschuldigt, von „Irreführung der Bevölkerung“ spricht und die Medien als „nützliche Idioten“ bezeichnet (mehr). Zusammen mit der rot-grünen Partei Enhedslisten war Alternativet die einzige Oppositionspartei, die den Regierungsvorschlag nicht unterstützt hat. Die Klage ist am 20. Dezember 2016 abgewiesen worden - denn eine Klage nimmt der Presserat nur an, wenn man von der falschen Berichterstattung persönlich und direkt betroffen ist. Für das postfaktische Zeitalter scheint der Presserat schlecht gerüstet zu sein. (mehr)

Aber nicht nur die Behauptungen der Regierung zu den angeblichen Zwängen seitens der Kommission wurden genutzt, um eine Abschaffung mit großer Mehrheit zu beschließen. Auch die Zahlen, die der Abschaffung des umlagefinanzierten EEGs zugrunde lagen, waren schöngerechnet. Laut der Vereinbarung soll der Eingangssteuersatz der Einkommenssteuer um 0,09 Prozentpunkte angehoben werden, und der Grundfreibetrag um 380 DKK (rund 51 EUR) abgesenkt werden, um die Umlagefinanzierung zu ersetzen. (mehr)

Das dänische Steuerministerium hat berechnet, wie unterschiedliche Familientypen von der Umlegung auf Steuerfinanzierung betroffen werden. (mehr) Allerdings fließen in dieser Berechnung sogenannte dynamische Effekte ein. Zu den dynamischen Effekten gehört zum Beispiel, dass die niedrigeren Strompreise zu höherer Produktivität führen, die sich in niedrigeren Verbraucherpreisen und höheren Gehältern widerspiegeln. Nur so lässt sich ein positiver Effekt für Haushalte darstellen.

Ohne dynamische Effekte gilt: Der Steueranstieg übersteigt die gesparte EEG-Umlage. Summiert über die Periode 2018 bis 2025 wirbt die Regierung bei einer Arbeiterfamilie mit einem wirtschaftlichen Plus von 15.300 DKK (rund 2058 EUR), obwohl die Umlageersparnis auf der Stromrechnung über die 9-jährige Periode 7800 DKK (1050 EUR) beträgt, und die gestiegene Steuerlast 9400 DKK (1265 EUR). Die Regierung wird nun für ihre frisierten Zahlen kritisiert. (mehr)

Ein Verlust für Verbraucher


Eine wichtige Frage in Bezug auf ein steuerfinanziertes EEG, das auch in Deutschland regelmäßig diskutiert und auch von Verbraucherschützern vorgeschlagen wird, ist die Einrichtung des Steuersystems. In Deutschland sind Transferleistungen wie Harz IV, Arbeitslosengeld, BAföG, Renten oder Elterngeld weitestgehend von der Einkommenssteuer befreit. So käme ein steuerfinanziertes EEG für diese Gruppen quasi einer Befreiung gleich.

In Dänemark werden diese Leistungen aber besteuert (und sind entsprechend höher angesetzt). Das bedeutet, dass der Eingangssteuersatz tatsächlich alle betrifft, und man in keiner Weise von einer Entlastung der einkommensschwachen Haushalte reden kann. Die dänische Lösung holt sich das Geld in der untersten Schicht der Gesellschaft und befreit industrielle Großverbraucher. So erklärt es der Professor für Energieplanung an der Universität Aalborg, Brian Vad Mathiesen, der Online-Zeitung Nordjyske.dk. Er nennt die Steuerfinanzierung des dänischen EEGs „eine schlechte Vereinbarung für die Haushalte.“ (mehr) Ganz abgesehen davon, dass man ein steuerfinanziertes EEG jährlich durch die Haushaltsverhandlungen treiben muss, wo es sich gegen Kinderbetreuung, Krankenhäuser und Kulturförderung behaupten muss. Stabile Rahmenbedingungen sehen anders aus.

Audi gegen Steuer


Der Beschluss zur Abschaffung der EEG-Umlage fand Ende November zu einem sehr turbulenten Zeitpunkt in der dänischen Politik statt – nur eine Woche bevor die Regierung Løkke Rasmussen II (mehr) um die wirtschaftsliberale Partei Liberal Alliance erweitert werden musste, um Neuwahlen zu verhindern. Liberal Alliance hatte angedroht, die Regierung zu stürzen, wenn der Spitzensteuersatz nicht gesenkt wird. Seit aber aus dem Vorsitzenden der Liberalen, Anders Samuelsen, der neue dänische Außenminister der Regierung Løkke Rasmussen III  (mehr) wurde, war die Forderung schnell vergessen (und der Minister seither als #AudiAnders bekannt). Für den gemeinen Wähler dürfte es mehr als schwer nachvollziehbar sein, wie eine neue Regierung, die auf Grundlage eines Versprechens von Spitzensteuersatzsenkungen entstanden ist, in der Praxis erst einmal den Eingangssteuersatz anhebt und den Grundfreibetrag senkt.

Die uneindeutige Stimme des Rechts


Aber zurück zur Ausgangslage: Die Europäische Union hat den Mitgliedsländern mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie auferlegt, erneuerbare Energien zu fördern – ohne dabei die Beihilferichtlinie zu torpedieren.

 

In den vergangenen Jahren sind relevante Gerichtsentscheidungen zur Beihilferichtlinie gefallen, die allerdings in der dänischen Diskussion so gut wie keine Rolle gespielt haben: Zu allererst das Preussen-Elektra-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2001, das eindeutig festhielt: Umlagefinanzierte Einspeisevergütungen sind keine Beihilfen. (mehr)  2014 entschied der EuGH im Åland-Urteil, dass EU-Länder ausländischen Ökostrom nicht fördern müssen. (mehr) Allerdings galt diese Entscheidung, so betont die EU-Kommission laut eines für den dänischen Windverband erstellten Berichtes, einem Zertifikate-System, das deshalb nicht direkt auf Einspeisevergütungen übertragen werden kann. (mehr)

Auch Deutschland hat gegen die EU-Kommission geklagt, die die Konformität des EEG 2012 mit den Beihilferichtlinien bezweifelte. Zwar wurde die Klage in der ersten Instanz im Mai 2016 (EUG) abgewiesen. (mehr) Die Hauptkritikpunkte des EUG sind allerdings die EEG-Umlage-Ausnahmen, nicht die Funktion des EEGs als Kaufpflicht an sich, so präzisierte eine Sprecherin laut IWR Online. (mehr) Nun geht es weiter zum Europäischen Gerichtshof. (mehr) Wenn dieser in seiner Entscheidung das Urteil von 2001 nicht bestätigt, wäre die Rechtssicherheit für die umlagefinanzierte Förderung erneuerbarer Energien gekippt, und die Begriffe „Staat“ und „Beihilfe“ wären im Vergleich zu 2001 bedeutend ausgedehnt.

Die Änderung zur Steuerfinanzierung des dänischen EEGs lädt dazu ein, dass ein Kläger den Bestand gegenüber der Beihilferichtlinie jetzt prüft. Dies könnte ein fossiler Kraftwerksbetreiber tun - es ist aber auch möglich, dass Produzenten von Energieeffizienz-Technologie wie zum Beispiel Grundfos oder Danfoss gegen die Steuerfinanzierung klagen. Diese kommt einer Subvention von Stromproduktion gleich, die Stromeinsparungen schlechter dastehen lässt als vor der Gesetzesänderung, schreibt Frede Hvelplund, Energieprofessor an der Universität Aalborg in einer dänischen Chronik. (mehr) Unternehmen wie Grundfos und Novozymes, die auf Energieeffizienz setzen, hatten sich in der dänischen Debatte zu Wort gemeldet und sich für einen Erhalt eines umlagefinanzierten EEGs eingesetzt. (mehr)

Stromtrassen für Zustimmung


Und die EU-Kommission? Sie hat die Neuregelung schon am 14. Dezember 2016 gutgeheißen. (mehr) Konsistent mit dem EuGH-Urteil von 2001 ist das nicht. Strafe muss Dänemark für den Übertritt der Beihilfe-Richtlinie für die Jahre 2017 bis 2025 dennoch bezahlen, denn erst dann wird die Neuregelung voll Inkrafttreten: Dänemark hat sich verpflichtet, 114 Millionen Euro in „Infrastruktur, die grenzüberschreitenden Energieprojekten zugutekommt“ zu investieren, wie es in einer Pressemitteilung der EU-Kommission heißt. Dies scheint eher einem Ablasshandel als einer Strafe gleichzukommen, in der sich die EU tief und über alle Grenzen der Subsidiarität hinaus in die Verwendung von Mitteln des dänischen Haushalts einmischt.

Hoffnung in der Sonne?


Mit einem steuerfinanzierten EEG werden auch PV-Eigenverbraucher, die bisher teilweise von der dänischen EEG-Umlage befreit waren, zum EEG über ihre Steuerlast beitragen. Darüber hinaus ist die Förderung von PV-Anlagen über einen Preiszuschuss unter einem separaten Gesetzespaket geregelt, in dem bis zum 1. Januar 2017 eine Übergangsregelung vorgesehen war. Diese ist am 19. Dezember ebenfalls mit sofortiger Wirkung abgeschafft worden um zu verhindern, dass PV-Projektanträge von insgesamt 1,6 MW Leistung die Sachbearbeitung vor dem Stichtag am 1. Januar 2017 noch schaffen und Förderung erhalten. (mehr)  Sind Bestandsschutz und Gewaltenteilung plötzlich Fremdwörter in der dänischen Politik geworden? Obwohl PV im dänischen Energiemix kaum eine Rolle spielt, ist die Angst vor dem „PV-Loch“ in der Staatskasse groß – so groß, dass der Staatsminister die Anträge als „Spekulation gegen die Staatskasse bezeichnete. ( mehr) Das Fachmedium Ingeniøren kritisierte das dänische Vorgehen schon im Frühjahr: In Dänemark habe man einen der weltweit größten Erfolge – die Verbilligung von Solartechnologie – in ein Fiasko verwandelt. (mehr) Irgendwas ist faul im Staate Dänemark.

Hermann Scheer revisited


Zurück bleibt die Frage, warum Regierungen und Parlamentsabgeordnete sich europaweit so von der Europäischen Kommission einschüchtern lassen, anstatt ihrer Forderungen aufrecht zu halten und diese notfalls an den europäischen Gerichten prüfen zu lassen. Die Diskussion um die Beihilfe stand schon in der deutschen parlamentarischen Debatte im Jahr 2000 im Vordergrund, kurz vor Einführung des EEGs. Hätte man sich damals den Beihilfevorwürfen gebeugt: Es hätte nie ein EEG gegeben. Schon damals argumentierte Hermann Scheer, der Vater des deutschen EEG, dass eine Kaufpflicht das Interesse der Allgemeinheit darstellt – und deshalb nicht beihilferechtlich geprüft werden muss. Wie Hermann Scheer in seinem letzten Buch, ‚Der Energethische Imperativ’, schrieb: „Eine solche Kaufpflicht ist keineswegs ungewöhnlich, der Begriff Subvention stellt eine absichtliche Irreführung dar.“ Leider ist dieses Werk noch lange nicht veraltet. (Wieder)lesen lohnt sich.

Wir danken Kirsten Hasberg, Volkswirtin, Energieexpertin des BlockchainHub Berlin und Dozentin an der IT-Universität Kopenhagen, für diesen Gastbeitrag.

 

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